Hannah Toticki Anbert

Eine der großen Herausforderungen, vor die Intimität und Liebe durch die Technologie gestellt werden, ist die Fokussierung der Aufmerksamkeit. Durch den nicht enden wollenden Informationsfluss, permanente Kommunikation und Updates gelingt es uns oft nicht, im Hier und Jetzt präsent zu sein. Eine kurze Aufmerksamkeitsspanne und Aufmerksamkeitsdefizite sind beide typische Störungen des digitalen Zeitalters. Aber präsent zu sein, ist die Grundvoraussetzung für Liebe. Beschränkungen zu akzeptieren, ist eine andere. Beides gerät durch die moderne Technologie unter Druck. Hannah Toticki Anberts Arbeit konzentriert sich auf den Zusammenhang zwischen sozialen Beziehungen, politischer Ökonomie und technischen Entwicklungen. Die gezeigten Exponate, von denen viele für die Ausstellung neu entstanden sind, kommen in Form von Kleidung, Accessoires und Möbeln daher, die alle auf Beziehungen zwischen Technologie und Körper verweisen. Ihre Verwendung ist zweischneidig – sie sind so konzipiert, dass sie uns helfen, uns zu fokussieren, sind aber gleichzeitig beengend, vielleicht sogar leicht klaustrophobisch. Diese Zweischneidigkeit ist eine Metapher für die Doppelbödigkeit der endlosen Möglichkeiten der modernen digitalen Technologie: Einerseits ist sie nützlich und erleichtert die Kommunikation, andererseits engt sie uns ein und entfremdet uns. Sie ist eine Technologie, die uns befreit, aber gleichzeitig echten, intimen menschlichen Kontakt erschwert. Touch Screen Protection Rings (2019) konzentriert sich auf den Teil des Körpers, der normalerweise mit digitalen Geräten über Touchscreens interagiert. Es wirkt als physisches Hindernis, das uns vor unserem Verlangen nach ständigen Updates beschützt. Smart Phone Protection Glasses (2019) blockiert in ähnlicher Weise den Teil unseres Gesichtsfelds, in dem wir uns Smartphone normalerweise in der Hand halten würden. Bei Focus Ware (2020) sind zwei Kleidungsstücke so konzipiert, dass der Blick, die Richtung und die körperliche Geste auf das Gegenüber hin ausgerichtet sind. Bei Digital Embrace (2020) kommen Computertasten aus einem weichen Wollanzug, während andere Tasten mit dem Abdruck von Händen verschmelzen. Warme, nachgiebige Haut trifft auf kalte, harte Technologie, und die Grenzen zwischen Körper und Technologie werden überschritten. Wie wird die phänomenologische Erfahrung von Liebe, Fürsorge und Zärtlichkeit vom physikalischen Aspekt der Technik beeinflusst, nachdem die Technik inzwischen eine Verlängerung unseres Körpers darstellt? Framing Presence (2020) ist ein skulpturales Möbelstück, das für zwei einander gegenübersitzende Körper konzipiert ist. Es setzt sich mit dem extensiven Gebrauch der Darstellung auf Bildschirmen auseinander, die unsere Wahrnehmung prägen: eine Realität, die ständig in einen quadratischen Rahmen gepresst wird. “Dinge” geschehen nicht unbedingt vor uns, sondern anderswo in Zeit und Raum.

Hannah Toticki Anbert